Nachhaltiges Wohnquartier am Wiesbach Gensingen
Das Planungsgebiet liegt ca. 600m südlich des gewachsenen Ortskerns von Gensingen und die Aufgabenstellung lautet innerhalb der B-Plan Rahmenvorgaben (WA) auf einer Grundstücksfläche von ca. 10.800 m2 eine städtebauliche Gestaltungsidee zu entwickeln.
Städtebau:
Die Verfasser schlagen ein städtebauliches Konzept vor, wie das Planungsgebiet sukzessive und mit einfachen Bausteinen zu einem organischen Quartier entwickelt werden kann und skizzieren Vorschläge sowohl zur späteren Architekturplanung als auch zu möglichen Platzgestaltungen. Durch die bewusste Anwendung von alten und bewährten städtebaulichen Regeln entsteht in Nord-Südrichtung ein ausgewogenes Straßenraumprofil und in Ost-Westrichtung entsteht eine Folge von zwei gut proportionierten Platzflächen. Diese wohlkalkulierte Dosierung von Dichte und Weite greift zurück auf die Regeln des klassischen europäischen Städtebaus, zu finden in von Krieg oder Rationalismus verschonten Ortschaften und Städten und beschrieben von Camillo Sitte 1889 in seinem Buch Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen.
Der Städtebau als Kunstwerk war in der Nachkriegszeit längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Stattdessen wurde der Städtebau als technisches Problem betrachtet und man konzentrierte sich aus pragmatischen, verkehrlichen und ökonomischen Gründen darauf möglichst effizient autonome Funktionseinheiten für Verwaltung, Gewerbe, familiäres Wohnen, Seniorenwohnen, etc. aneinander zu reihen. Je städtischer, desto größer die Einheiten, bis hin zum Siedlungsbau jeglichen Maßstabs - je höher der Anspruch desto exaltierter die Gestaltung - in den seltensten Fällen entstanden daraus homogene oder gar identitätsstiftende Orte.
Ziel der Mehrfachbeauftragung ist es unter Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien einen ansprechenden, modernen und innovativen städtebaulichen Entwurf für das „Mehrgenerationenquartier“ im Zentrum des Bebauungsplangebietes zu erstellen.
Die Verfasser sehen Nachhaltigkeit nicht im Sinne von dicken Wärmedämmungen (absehbarer Sondermüll) und hochtechnisierten Haustechnikkonzepten (laufende Hard-/Softwareupdates) und richten den Blick vom modernen Städtebau hin zu gewachsenen Stadtstrukturen, nach welchen wir uns heute sehnen, weil darin völlig konzeptfrei schon immer Mehrgenerationswohnen gelebt werden konnte. Ein gewisses Maß an städtebaulicher Erinnerung kann wirklich innovativ und nachhaltig sein!
Im Sinne von Sitte verweisen die Verfasser auf die Bedeutung von Freiflächen, Plätzen, Gärten, Höfen und gekrümmter Straße für ein positives Erleben des Stadtraumes. Wichtig ist auch die Freihaltung der Platzmitte, die Anlage einer Platzfolge im Wegeverlauf, die Geschlossenheit von Platzfassaden, die stadträumliche Gliederung durch Elemente wie Pavillon, Erker und Arkadenumgängen. Die Verfasser schlagen eine Vielzahl von individuellen Einzelhäusern (nach dem Stand der Technik) vor, welche dicht zusammenstehen und dafür private, teilöffentliche und öffentliche Flächen freigeben können. So entsteht ein Klima der Zusammengehörigkeit und letztlich ein identitätsstiftender Ort an welchem sehr selbstverständlich das Miteinander gelebt werden kann.
Parzellierung / Bauabschnitte:
Das Plankonzept sieht drei große Baufelder für die Mischnutzung von Wohnen in den Obergeschossen und Läden /Lokale im Erdgeschoss vor und ein Baufeld für das Betreute Wohnen. Durch die einfache Parzellierung und gute Anbindung der Baufelder ist eine modulare Realisierung in mehreren Bauabschnitten oder in Einzelprojekten durch Investoren oder die öffentliche Hand gut vorbereitet.
Verkehrserschließung:
Die verkehrliche Erschließung des neuen Ortsteilzentrums Am Wiesbach erfolgt über den nördlichen Stichweg zur Planstraße A, über die Planstraße C im Süden. Eine direkte Zufahrt über die Alzeyer Straße ist nicht notwendig. Über die Bushaltestelle an der Alzeyer Straße im Osten ist die Anbindung an den ÖPNV sicher gestellt. Durch die Platzierung der Anwohner-PKW-Stellplätze (insgesamt 114 im EG und TG) an der Nord- und Südflanke ist der ruhende Verkehr weitgehend aus dem Quartier ausgespart. In der Quartiersgasse haben Fußgänger und Radler Priorität, für Kurzparker werden 20 Stellplätze angeboten. Weitere 30 Stellplätze werden auf dem Parkplatz im nördlichen Bereich des B-Planes ausgewiesen. Die Erreichbarkeit der Kindertagesstätte per „drop and go“, bzw. Kurzparken wird über die westlich vorgesehene Planstraße sichergestellt. Das Stadtteilzentrum ist von Süd nach Nord und von West nach Ost durchgängig für Fußgänger und Radler an das vorhandene, bzw. geplante Wegenetz angeschlossen.
Wohnen im Mehrgenerationenquartier:
Die Verfasser schlagen einen Städtebau aus einer Vielfalt von Stadthäusern vor, welche hinsichtlich Gruppierung und Aufteilung zahlreiche Spielarten des Wohnens, des Verweilens und des Arbeitens für Senioren, Familien, Alleinerziehende, Singles und behinderte Menschen ermöglichen. Es gibt Häuser mit Aufzug für das barrierefreie Wohnen im Alter. Die Flaniermöglichkeiten in unmittelbarer Umgebung schaffen Gelegenheit für Begegnung und Gespräch. Es gibt ein größeres Haus im Quartier in welchem eine PflegeWG nach LWTG § 5 oder 6 eingerichtet werden kann. Durch die Wegeführung und die zum Flanieren einladende Platzfolge, flankiert von umfangreichen Verweilmöglichkeiten entsteht ein räumliches wie auch ein geselliges Zentrum mit Elementen aus Dorfladen, Dienstleistung, Café und schwarzem Brett, welches als Ortsteilzentrum für Kommunikation, Geselligkeit, Informationsaustausch und Vernetzung steht. Hier kann ein Mittagstisch organisiert, Freizeit verbracht und nachbarschaftliche Beziehungen geknüpft werden. Auch ein Samstagsmarkt, Flohmarkt oder Dorfleben kann hier stattfinden. Wohneigentum mit Townhouse-Charakter entsteht im hinteren Bereich des Geländes, abgewandt von der Hauptstraße.
Wettbewerbe
2016 | Shortlist / Städtebau - Wettbewerb, Wohnungsbau |